Auch wenn man von mir schon lange nichts mehr in der Presse findet – Papa mausert sich zum Lokalhelden und die Presse berichtet:
Fischereihafen. Ein dämmeriger Raum in einer alten Packhalle, einige Schreibtische mit Akten, Computer und Landkarten – hier treffen sich die Ahnenforscher der Männer vom Morgenstern, um Tote zu erwecken. Auf der Suche nach Namen finden sie die Schicksale längst verstorbener Menschen, längst verschollener Familien. Nach und nach erwacht die Geschichte der Seestadt zum Leben.
Für Fred Wagner ist Familienforschung mehr als Aktenwälzen. „Das frisst einen mit Haut und Haar“, sagt der Bremerhavener, der die Familienkundliche Arbeitsgemeinschaft der Männer vom Morgenstern leitet. Der Computer-Genealoge trägt die Vergangenheit in die Gegenwart. Dabei unterstützt ihn ein Team von etwa 40 Familienforschern. Sie alle treibt bei ihrer Arbeiten ihre Leidenschaft für die Geschichte. „Das, was wir machen, ist ja nicht Geschichte, wie wir sie in der Schule gelernt haben – das ist ja ganz nah, ganz nah am Menschen“, betont Wagner.
Denn eigentlich suchen die Ahnenforscher mehr als Namen: Sie wollen das Alltagsgefühl, das Leben, Lieben und Leiden der längst verstorbenen Menschen finden. Ein Name allein erzählt keine Geschichte. Doch den erfahrenen Forschern gibt er vielleicht einen Hinweis, wohin die Zeitreise führen kann. „Wenn einer Tietjen heißt, dann weiß man gleich, der kommt aus dem Teufelsmoor“, sagt Wagner. Ähnlich sei es bei dem Namen Kück. Doch welcher Kück ist der, den der Forscher sucht? Familienforscher Rinje Bernd Behrens hat alle auffindbaren Kücks aus Kirchenbüchern herausgeschrieben. Er fand vier Johann Kücks, alle in einem Zeitraum von vier Jahren geboren – „und die haben alle eine Anna geheiratet.“
Kirchenbücher, Urkunden, Musterungs- und Steuerlisten, private Fotos, Grabsteine und Todesanzeigen in der NORDSEE-ZEITUNG – der Quellenfundus der Familienforscher ist grenzenlos. Jedes Fundstück erzählt auch etwas über den Alltag in vergangenen Zeiten. Wagner und seine Kollegen zeichnen ein Bremerhaven vieler Kulturen und Nationen: Holländische Bauarbeiter zimmerten Docks und Hafenbecken. Französische Hugenotten suchten Schutz vor Verfolgung. Auswanderer, die es sich anders überlegt hatten, blieben an Bremerhavener Kajen stehen. Matrosen verschiedener Kontinente hinterließen ihre Spuren.
Einiges werde in Familien totgeschwiegen, sagt Wagner. Uneheliche Kinder waren oft der Grund für Brüche in der Familiengeschichte. Ein Fall, der den Ahnenforschern häufig begegnet: Ein junges Mädchen wurde von einem Gutsbesitzer geschwängert. Dann wurde meist die ganze Familie ausgewiesen, sagt Wagner. „Da gab es eine Abfindung, und dann hieß es: Runner von Hoff.“ Auch der 30jährige Krieg reißt ein Loch in die Quellenlage – seitenweise rissen Soldaten Papier aus den Kirchenbüchern, um damit ihre Gewehre zu stopfen.
Heute sammeln die Forscher ihre Daten im Computer. Die Datenmenge, die die Genealogen zusammengetragen haben, umfasst fünf Terabyte – ausgeschrieben eine Zahl mit zwölf Nullen. Sicherheitskopien werden zum Teil in verschiedenen Städten verwahrt. Dennoch suchen die Familienforscher unermüdlich weiter. Bei Haushaltsauflösungen gehe leider viel verloren, sagt Wagner. „Weil die Familienangehörigen keine Ahnung haben, was sie da vernichten. Aber die Menschen zerstören damit ihre eigene Geschichte.“ Auf der Suche nach der Familie entstehe tatsächlich ein Gefühl von Zugehörigkeit und Wärme, sagt Wagner. Und auch die Heimatstadt wird reicher im Auge derjenigen, die ihre Geschichte nachfühlen können. „Wir brauchen nicht in die weite Welt zu gehen“, sagt Wagner. „Es ist alles hier passiert, gleich hier in Bremerhaven.“
Copyright Nordsee-Zeitung 10.2.2010, hier nur aus Archivierungsgründen vollständig Zitiert. Danke an die NZ und die freundliche Berichterstatterin.
Wer mehr erfahren will klickt sich auf die Seite von Papa: http://www.genealogie-wagner.de/